STELLUNGNAHME ZUR CORONA-KRISE

[23.03.2020] Pressemitteilung: Stellungnahme zur Corona-Krise

Vernetzung der Akelius-Mieter*innen Berlin

Die Corona-Krise führt uns vor Augen, was in unserer Gesellschaft schief läuft: Die Privatisierung und das Kaputtsparen unseres Gesundheitswesens zwingt unsere ganze Gesellschaft in Quarantäne. Essentiell gesellschaftsrelevante Berufsgruppen wie z. B. Krankenpflege, BSR, Verwaltung und Kassierer*in, die jetzt die ganze Last der Krise bewältigen müssen, gehören zu den am schlechtesten bezahlten. Das Spekulieren mit Wohnraum und die daraus folgende Mietenexplosion der letzten Jahre hat zu prekären Wohn- und Lebensverhältnissen einerseits und spekulativen Leerstand andererseits geführt.

Die Corona-Krise verschärft die Situation insbesondere von benachteiligten Gruppen im Bereich Wohnen massiv. Durch Einkommensausfälle aufgrund der Krise kann es zu Mietschulden kommen, die wiederum zu Kündigungen führen. Durch Zwangsräumungen verlieren Menschen mit ihrer Wohnung den notwendigen Rückzugsraum für soziale Distanzierung und selbstverantwortliche Quarantäne. Durch das Schließen von Notanlaufstellen und kostenlosen Essensausgaben verlieren sozial ausgegrenzte Menschen ihren letzten Halt in der Gesellschaft und werden sich selbst überlassen. Durch das erzwungene Verbleiben in überbelegten Sammelunterkünften steigt die Infektionsgefahr speziell für Geflüchtete. Gleichzeitig befindet sich Akelius seit der Einführung des Mietendeckels im Vermietungsstreik und bietet keine Wohnungen zur regulierten Miete an. Dadurch nimmt der spekulative Leerstand zu. Aber es ist gerade jetzt wichtig, dass aller verfügbarer Wohnraum bereitgestellt wird! Niemand darf jetzt noch mit Leerstand spekulieren!

Uns hat das unsoziale Krisenmanagement während der Finanz- und Bankenkrise in 2000ern gezeigt, dass in unserer Wirtschaftsordnung auch in Zeiten von großen Krisen Gewinne weiterhin privatisiert und Kosten vergesellschaftet werden. Die Folgen davon waren unter anderem die Privatisierungen des Gesundheitswesens und des öffentlichen Wohnungsbestandes. Heute fallen uns die Konsequenzen doppelt auf die Füße.

Akelius war ein großer Gewinner der Banken- und Finanzkrise. Weltweit fällt der Konzern mit vielen aggressiven Kündigungen und Kündigungsversuchen auf. Oft genug wurden Mietrückstände als Kündigungsgrund herangezogen. Mit dem Wegbrechen des Einkommens vieler Selbständiger und prekär beschäftigter Menschen steigt die Gefahr weiterer Mietrückstände. Auf keinen Fall dürfen diese Mietrückstände zu Kündigungen führen! Denn nur wer eine Wohnung hat, kann auch während einer Pandemie zuhause bleiben.

Deshalb fordern wir von der Politik und Verwaltung einen echten Schutz aller Wohn- und Gewerbe-Mieter*innen und Wohnungslosen:

  • Sofortige Einstellung aller Kündigungsverfahren und Räumungsklagen!
  • Sofortiges Aussetzen aller Zwangsräumungen!
  • Sofortige Freigabe von Leerstand für Wohnungslose und Wohnungssuchende!
  • Keine Energie- und Wassersperrungen!
  • Keine Mieterhöhungen, weder während der Krise noch in ihrem Nachgang!
  • Langfrsitig keine Kündigungen aufgrund von Mietschulden!
  • Bereitstellung von finanziellen Hilfen für in Not geratene Mieter*innen oder ein dauerhaftes Mietenmoratorium!

Berlin hat heftige und rigide Maßnahmen getroffen, die die Versammlungsfreiheit empfindlich einschränken, und damit unser politisches Engagement. Die Notwendigkeit dieser Maßnahmen sehen wir ein. Es besteht aber die Gefahr, dass die Berliner Verwaltung die Einschränkung der Versammlungsfreiheit dazu nutzt, soziale Projekte mit gekündigten Gewerbe-Mietverträgen zwangszuräumen, ohne dass die Zivilgesellschaft protestieren kann. Das wäre sozialpolitisch und krisentechnisch fatal. Deshalb fordern wir weiterhin:

  • Keine Zwangsräumung des „Syndikat“!
  • Das Geschäftsmodell von Akelius ist auf Steuervermeidung ausgerichtet. Einen Großteil der Immobilien kauft Akelius mit Share Deals. Bei Share Deals entfällt die Grunderwerbsteuer (in Berlin 6 Prozent vom Kaufpreis), die bei einem regulären Hausverkauf bezahlt werden muss. Durch diese Praxis entgehen den Ländern insgesamt rund eine Milliarde Euro pro Jahr an Steuergeldern. Gelder, die jetzt, in Zeiten der Krise, zur Entlastung der Betroffenen fehlen. Deshalb fordern wir von den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung:
  • Keine Hilfsprogramme für profitorientierte Immobilienunternehmen, sondern deren sofortige Vergesellschaftung!
  • Einen umfangreichen Solidarfonds für Kleingewerbetreibende, Freiberufler*innen, Kultur- und soziale Einrichtungen!

Unsere Forderungen unterstützen unmittelbar die gesellschaftlichen Anstrengungen zum Schutz der gesamten Bevölkerung vor den schweren Konsequenzen der Corona-Pandemie. Nur wer ein Zuhause hat, kann sich wirksam ’sozial distanzieren‘ oder freiwillig in Quarantäne begeben. Nur wenn das Partizipationsrecht der Zivilgesellschaft auch in Zeiten der Krise geachtet wird, bleiben die demokratischen Grundrechte unserer Gesellschaft trotz der Krise erhalten.

Solange Wohnraum eine Ware ist, werden wir uns aktiv unter dem Motto „Wohnen für Menschen statt für Profite“ widersetzen! Die Wohnungskrise ist nicht gelöst!